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Impuls zum 3. September 2023

Zum 22. Sonntag im Jahreskreis

Von Monika Bossung-Winkler (Böhl-Iggelheim), Diözesanverband Speyer

ER hat uns gepackt
Warum tun wir das eigentlich? Uns für Menschen in anderen Ländern und Kontinenten engagieren? Rüstungsexporte kritisieren? Uns bei politischen Fragen einmischen? Jugendliche bei einem Freiwilligendienst unterstützen? Rassistische Äußerungen nicht hinnehmen? Haben wir mit Beruf und Familie nicht genug zu tun?

Diese Fragen haben wir uns wahrscheinlich alle schon einmal gestellt. Sich für Frieden und Gerechtigkeit zu engagieren, macht das Leben nicht einfacher. Oft stoßen wir sogar im Freundeskreis auf Unverständnis, wenn für uns nicht der „Sieg“ der Ukraine im Vordergrund steht, sondern ein Ende des Kriegs, das den Weg für eine Versöhnung freimacht. Wenn wir uns bemühen, fair und ökologisch einzukaufen, sagt man uns, dass der höhere Preis doch nur Abzocke sei und wir damit überhaupt nichts ändern können. Jede(r) von uns kennt sicher noch weitere Beispiele.

So ging es schon dem Propheten Jeremia, dessen lange Tätigkeit von Ablehnung, Angriffen und sogar Gewalt gegen ihn geprägt war. Trotzdem konnte er nicht anders und sagt in der Lesung des heutigen Sonntags:

Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt. Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich. Ja, sooft ich rede, muss ich schreien „Gewalt und Unterdrückung“ muss ich rufen. Denn das Wort des HERRN bringt mir den ganzen Tag nur Hohn und Spott. Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so brannte in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinen Gebeinen. Ich mühte mich, es auszuhalten, vermochte es aber nicht. (Her 20, 7-9)

Für jeden von uns gab es einen Moment, da hat Gott uns gepackt, damit wir etwas gegen Gewalt und Unterdrückung tun. Für mich war es die Lektüre des Buches von Franz Alt: Frieden ist möglich. Damals gingen wir gegen den „NATO-Doppelbeschluss“ auf die Straße, demonstrierten gegen die Atomwaffen in Hasselbach (Hunsrück). Es war die Angst vor einem Atomkrieg, aber auch der tiefe Glaube an Gott, der die Gewalt überwindet und uns Frieden und Gerechtigkeit verheißt. Und dass wir aufgerufen sind, damit im Hier und Jetzt anzufangen. Aktive Gewaltfreiheit wurde zu unserer Methode. Wir lernten von der gewaltfreien Bewegung, die sich in Lateinamerika den Militärdiktaturen entgegensetzte. Nicht nur Gandhi war unser Vorbild, sondern auch Hildegard Goss-Mayr, Jean Goss, Adolfo Pérez Esquivel, Luis Pérez Aguirre, Oscar Romero. Sie alle – selbst Gandhi – hatten von Jesus gelernt, dem Konflikt nicht aus dem Wege zu gehen, sondern gewaltfrei vor den Mächtigen die Wahrheit zu bezeugen, auch wenn es das Leben kostet. 

Jesus hat uns gewaltfreien Widerstand gelehrt
Wenn Jesus davon spricht, dem Gegner keinen Widerstand zu leisten, meint er kein passives Hinnehmen von Unrecht. Das ist eher der Wunsch von Petrus: Jesus soll nichts geschehen. Petrus möchte ihn weiterhin in ihrer kleinen Gemeinschaft als Wanderprediger und Wundertäter. Aber Jesu Predigten und Taten hatten den Sinn, die Ankunft des Reiches Gottes zu verkündigen. Von Anfang an provozierte er die Machthaber seiner Zeit: Seine Hinwendung zu den Ausgeschlossenen (Aussätzige), die Heilungen am Sabbat, das Gleichnis von den Pächtern (Herrscher Israels), die den Weinberg (Volk Gottes) schlecht verwalten, die Austreibung des bösen Geistes Legion (!), um nur die religiöse und politische Brisanz der Botschaft Jesu anzudeuten.

Auf dem Weg nach Jerusalem bereitet er die Jünger dann auf die entscheidende Auseinandersetzung vor:
Mt 16, 21 Von da an begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären: Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden, er müsse getötet und am dritten Tag auferweckt werden. 22 Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen, und sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! 23 Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

24 Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 25 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. 26 Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? 27 Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen und dann wird er jedem nach seinen Taten vergelten. 28 Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn in seinem Reich kommen sehen.

Gewalt hat nicht das letzte Wort
Petrus hört nur den ersten Teil der Aussage Jesu: Er müsse leiden und getötet werden. Die Pointe kommt aber danach: Er wird am dritten Tag auferweckt werden.

Jesus weicht der Konfrontation nicht aus, er nimmt Leid und Tod auf sich, damit seine Botschaft glaubwürdig bleibt. Seine Auferweckung macht deutlich: Gott steht auf seiner Seite. Gott steht auf der Seite der aktiven Gewaltfreiheit.

Das gilt immer noch oder erst recht angesichts der Kriege und gewaltsamer Auseinandersetzungen auf dieser Welt. Frieden wird nicht durch einen militärischen Sieg erreicht, sondern nur durch Verhandlungen der Politiker*innen und Versöhnung der Menschen/Völker, die meistens erst durch die Politik zu Feinden gemacht wurden.

Nach Tausenden von Jahren, in denen Kriege als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln betrachtet waren, ist es durchaus ein Fortschritt, dass Frieden als Ziel politischen Handelns anerkannt ist und dass aktive Gewaltfreiheit in vielen Konflikten ihr Potenzial gezeigt hat.

Wir wollen beten
Für die Menschen, die immer noch auf Gewalt vertrauen. Lass sie Wege der gewaltfreien Konfliktbearbeitung erkennen!

Für die Menschen, die in der Ukraine, in Palästina, im Niger und anderen Konfliktregionen Gewalt erleiden. Lass sie Unterstützung und Hilfe erfahren!

Für die Menschen, die in ihrem Engagement für Frieden und Gewaltfreiheit mutlos geworden sind. Entzünde in ihnen wieder DEIN Feuer!

Für alle, die sich für eine Verhandlungslösung in der Ukraine engagieren. Gibt ihnen die Kraft, weiterzumachen!

Wir wollen unsere Bitten in dem Gebet Jesu, um das Kommen Deines Reiches zusammenfassen und beten das Vater unser.